Eine Geschichte des österreichischen Animationsfilms 


Kuratorinnen und Kuratoren:
Robert Buchschwenter, Sabine Groschup, Mara Mattuschka, Norbert Pfaffenbichler, Thomas Renoldner



Animation in Österreich – 1832 bis heute.
Von Thomas Renoldner

Animation heute
Animation in Österreich ist ein Terrain künstlerischer Aktivität mannigfaltiger Erscheinungsformen. Die Gemeinsamkeit bildet das zeitlich manipulierte künstlerische Bild.

Die Möglichkeiten der Gestaltung reichen von analogen Verfahren (Zeichentrick, Malerei, Stop Motion, etc.) bis zur Computeranimation, wobei gerade die Verschränkung und Neukombination von Verfahren aus beiden Bereichen zu einer permanent expandierenden Palette an Möglichkeiten (Modewort: Hybrid) entscheidend beiträgt. Nach einer Euphorie der digitalen Bildgestaltung scheint gerade in jüngster Zeit das Interesse an klassischen Gestaltungsmöglichkeiten wieder zu wachsen, was die Möglichkeiten des Dialoges und der gegenseitigen Befruchtung positiv stimuliert.

Meistens wenden KünstlerInnen im Bereich der Animation auch große Sensibilität für die Gestaltung der akustischen Ebene auf. Der engen Verknüpfung des bewegten Bildes mit Musik und Geräusch kommt oft große Aufmerksamkeit zu, so setzt sich die Tradition von „Visual Music“ sowohl im experimentellen Animationsfilm (ab ca. 1980) als auch im Bereich der elektronischen audio-visuellen Kunst (u. a. „Austrian Abstracts“ ab ca. 2000) fort.
Außerdem zählt das Musikvideo zu einem bevorzugten Bereich der Animation.

Vergleicht man Animation in Österreich mit einer international gebräuchlichen Auffassung, so ist hier besonders augenfällig, dass Kommerz zumeist weit hinter der Bedeutung von Kunst rangiert. Die fast vollkommene Abwesenheit einer Trickfilmindustrie in der Geschichte des österreichischen Filmes ist im internationalen Vergleich besonders augenfällig, man denke nur an die unvergleichbar stärkeren Traditionen in Osteuropa seit 1950 und vielen anderen Ländern Europas nach 1980. Egal, ob diese Tatsache als Manko oder Vorteil eingestuft wird, für die spezifische Entwicklung von Animation in Österreich ist sie bestimmend.

Das Kino verliert zudem heute immer mehr an Bedeutung als Präsentationsrahmen, nicht nur, weil für künstlerische Animation, die sich zumeist eher der kurzen Form bedient, die wirtschaftlichen Erträge und die Aussicht in diesem Bereich Reputation zu erlangen kaum nennenswert sind, sondern auch, weil sich der Kunstraum seit geraumer Zeit besonders stark dem Bewegtbild geöffnet hat. Somit kehrt Animation heute verstärkt in die Räume der Kunstpräsentation zurück. Exemplarisch sei hier etwa auf die beeindruckende Ganzraum-Projektion „ohne titel“ von Peter Kogler mit Musik von Franz Pomassl verwiesen, die als Computeranimation mit elektronischer Musik neue Erlebnisdimensionen eröffnet, die im Kino gänzlich undenkbar wären. (Mumok Wien, 31.10. 2008 – 1. 2. 2009)

Generell ist der Bereich der Projektionskunst, für die Österreich unter anderem mit dem „Sound:Frame“-Festival (jährlich im Jänner im Künstlerhaus) eine international anerkannte Bühne bereitstellt, auch ein wichtiges Terrain der zeitgenössischen Animation, wobei sich die KünstlerInnen, neben dem Bereich der Hochkultur, alternative Präsentationsmöglichkeiten im subkulturellen Kontext oder auch im öffentlichen Raum erobern. Bei aller Bedeutung zeitgenössischer KünstlerInnen aus dem Bereich der elektronischen Medien soll auch hier nicht vergessen werden, dass filmische Animation Vorarbeit geleistet hat, sei es in den Installationen von Leo Schatzl, Renate Kordon u. a. oder den Mehrfachprojektionen mit Super-8- und 16-mm-Projektoren, etwa aus den künstlerischen Labors der Linzer Stadtwerkstatt oder von Künstlern wie Pepi Öttl, Florian Flicker und Wolfgang Kopper, die unter anderem unter der Bezeichnung „Filmdisco“ bereits für die Diagonale 1994 eine Tradition „analoger Visuals“ vorgestellt haben.

Eine weitere Bühne für zeitgenössische Animation ist das Internet, wo eine schier unüberschaubar gewordene Anzahl an Arbeiten täglich anwächst. Finanziell erschwingliche neue Technologie für audio-visuelle Produktion bietet heute Heranwachsenden ab dem Kindesalter die Möglichkeit, ihr künstlerisches Interesse zu entfalten. Für die Präsentation auf YouTube müssen keine wie immer gearteten Gremien privater oder staatlicher Natur von der Qualität der eigenen Arbeit überzeugt werden.
Wenn also die Museen heute eine neue Form der Hochkultur verkörpern, die für die Präsentation der künstlerischen Elite reserviert ist, so kann man das Internet als einen Bereich für den künstlerischen „underground“ des 21. Jahrhunderts betrachten, beide Bereiche sind wichtige Foren für Animation jenseits des Kinos.

Geschichte der Animation in Österreich
Im Rahmen der DIAGONALE 2009 werden sechs Filmprogramme zum Thema Animation präsentiert. Diese sind Auftakt eines umfangreichen Projekts zum österreichischen Animationsfilm, das mit der Vorstellung der Buchpublikation „Animation in Österreich – 1832 bis heute“, in Zusammenarbeit von ASIFA Austria und Filmarchiv Austria, fortgesetzt wird.

Bestimmend für das Buch ist eine breit angelegte Sichtweise der Geschichte der Animation. Anstelle des Insistierens auf einer „Trennlinie“ zwischen Kommerz und Kunst geht es darum, das reiche Spektrum der Erscheinungsformen von Animation zwischen Popkultur und Avantgarde ohne Abwertung oder Überbewertung eines der genannten Pole darzustellen, und auch die Tatsache gegenseitiger Beeinflussung und Befruchtung zu würdigen.
Qualitäten, wie narrativ und non-narrativ, gegenständlich und abstrakt, naturalistisch und surreal, intellektuell und emotional, konstruiert und improvisiert, ernst und lustig (u.s.w.) werden dabei als jeweils gleichberechtigte Strategien anerkannt, und anstelle von Polarisierung gilt ein besonderes Interesse den Zwischentönen, den Mischformen und Übergängen.

Die Anfänge der Animation liegen weit vor der Erfindung des Kinos, in unterschiedlichsten Versuchen, gezeichnete und gemalte Bilder in Bewegung zu setzen. Österreich hat dabei mit Simon Stampfer, der 1832 seine „Stroboscopischen Scheiben“ präsentiert, nicht nur einen bedeutenden Physiker, der damit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der kinematographischen Apparatur leistet, sondern auch einen wichtigen Vertreter der Animationskunst, der durch die inhaltliche Ausgestaltung seiner „Wunderscheiben“ bereits verschiedene Genres der Animation, von der‚ documentary animation bis zur Abstraktion, vorzeichnet.

Überhaupt ist es wichtig, Animation nicht als nur ein „Genre“ zu begreifen, sondern, wie dies Giannalberto Bendazzi formuliert, als „Bruder des live-action Kino(s)“, als technisch andersartige Form der Bildproduktion, mit – zugegebenermaßen – ihren spezifischen Möglichkeiten und Vorlieben, aber mit einem zumindest gleichwertigen Spektrum an Möglichkeiten, verschiedene (Film)Genres zu verkörpern. Die Geschichte der Animation in Österreich – nach der Erfindung des Kinos – lässt sich vereinfacht in zwei Abschnitten darstellen: Animation vor und nach dem ersten Auftreten von Maria Lassnig. Grob gesprochen zeichnet sich „Animation vor Lassnig“ dadurch aus, dass es sich, abgesehen von wenigen – aber dafür umso bedeutsameren – Ausnahmen, um Auftragsarbeiten für Werbezwecke handelt, während „Animation nach Lassnig“ vornehmlich in Form von unabhängigen künstlerischen Arbeiten auftritt. Die Orientierung der beiden zeitlichen Abschnitte am Auftreten und Wirken von Maria Lassnig ermöglicht es einerseits, die Nennung einer zeitlich exakt fixierten Trennlinie zu vermeiden, andererseits unterstreicht die gewählte Systematik die große Bedeutung ihres Wirkens für Animation in Österreich.
Maria Lassnig stellt in den Jahren 1971 bis 1976 in New York eine Reihe von künstlerischen Animationsfilmen her, und gründet im Jahr 1982 das Studio für Experimentellen Animationsfilm an der Hochschule für Angewandte Kunst, das bis zum heutigen Tag mit großem Enthusiasmus von Hubert Sielecki geleitet wird. Dieses ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Impulsgeber für den „Neuen Österreichischen Animationsfilm“, der ab den 1980er Jahren unübersehbar wird.

In den Jahrzehnten davor war die stilistische Entwicklung von Animation noch relativ klar beschreibbar, etwa als an der naturalistischen Zeichnung orientierte „bewegte Karikatur“ der 1920er Jahre, oder als Hinwendung zu einem international gebräuchlichen „cartoons“-Stil nach dem Vorbild Walt Disney’s im Zeitraum von 1930 bis ca. 1955.
Ab Mitte der 1950er Jahre jedoch ist auch im Bereich des Werbetrickfilmes für Kino und Fernsehen eine Auffächerung stilistischer Möglichkeiten und somit die Emanzipation vom Vorbild Walt Disneys zu beobachten. Einzelne Künstler, wie Hans Albala, nähern sich in ihren Werbefilmen einer avantgardistischen Tradition der bewegten Malerei, wie wir sie von Oskar Fischinger kennen, an. In etwa zur selben Zeit entstehen auch die ersten Avantgardefilme unter der Nutzung von Einzelbildverfahren, die durchaus als Animation bezeichnet werden können.
Ab Beginn der 1980er Jahre kommt es zu einer ungemein dynamischen, stilistischen und inhaltlichen Expansion von künstlerischem audio-visuellem Schaffen im Allgemeinen. Animation ist nur ein Teil im neuen Pluralismus der individuellen Stile, wobei neben dem Animationsfilm auch die Computeranimation in umfangreicherem Ausmaß in Erscheinung tritt. Die unterschiedlichsten Disziplinen der bildenden Kunst bilden für viele AnimationskünstlerInnen den Ausgangspunkt ihres audio-visuellen Schaffens, und so pendelt experimentelle Animation (egal ob analog oder digital) von Anfang an zwischen den Polen Kunst und Kino, zwischen zeit-basierter audio-visueller Kunst und erzählerischem Film.
Die Mannigfaltigkeit an Erscheinungsformen von Animation wird sich später durch eine Reihe neu gegründeter Ausbildungsangebote an verschiedenen Kunst- und Fachhochschulen Österreichs und durch die leichter verfügbaren Produktionsmittel immens erweitern.

Die sechs Filmprogramme zur Animation in Österreich geben an verschiedenen Themen orientierte Einblicke in die beschriebene Vielfalt, quer durch die Stile, Methoden, Theorien und Jahrzehnte. Kuratiert wurde die Schau von Robert Buchschwenter, Sabine Groschup, Mara Mattuschka, Norbert Pfaffenbichler und Thomas Renoldner.


 


Schöpfungsgeschichten

Programm 1, Gesamtlänge ca. 70 Minuten

Das Programm Schöpfungsgeschichten versammelt Weltenbilder und Geschichten von Schöpfung. Die Erschaffung des Menschen durch eine göttliche Hand ist dabei ein oft verwendetes Sujet, das den Prozess der Animation selbst widerspiegelt.

Schöpfungsgeschichte
Art Education
Wiener Bilderbogen Nr. 1
Dicht hinter der Tür
Adeg
Das Hammerbrot Schlaraffenland
Hands up, Mr. Rasnitchi!
All people is plastic
Nina kann die Welt bewegen
LOOPS oo + 1 = oo, Opus 8


 


Übers-Ich

Programm 2,
Gesamtlänge ca. 60 Minuten

„Wo beginnen? Was erzählen? Mit welchen Bildern? Zum Beispiel mit einem Selbstporträt – der Erkundung der eigenen Identität und Befindlichkeit anhand von Bildern, die arrangiert, bearbeitet und in einen bestimmten Rhythmus versetzt werden.

Selfportrait
Ich bin traurig
Sw-Ego
2/60 48 Köpfe aus dem Szondi-Test
Pinocchio
Club
Vivus funeratus
Wieder Holung
Die Geburt der Venus
Kaspar
Copy Shop


 


Elementarteilchen

Programm 3, Gesamtlänge ca. 72 Minuten

„Jeder Film ist ein Trickfilm. Der Trick besteht darin, einzelne Bilder in einer hohen Geschwindigkeit hintereinander auf einer planen Fläche ablaufen zu lassen, so dass die Bildfolgen aufgrund der natürlichen Trägheit des Auges als kontinuierliche Bewegungen wahrgenommen werden.“ (Norbert Pfaffenbichler)
Jede der Arbeiten im Programm Elementarteilchen – die kleinsten bekannten Bausteine der Materie – besticht durch ein eigenes einfaches Patent.

Hors d’Oeuvre
Void.seqz 5
36
Phi – der Goldene Schnitt
Duocity
Bouillon
Minimals
Flaschko – der Mann in der Heizdecke (Episode 1–3)
Points of view
Feuerhaus
Polyfilm
Ausgestopfte Tiere bewegen sich
Devine
Super-8-Girl Games
Salome in Low Land


 


Käpt’n Musik

Programm 4, Gesamtlänge ca. 71 Minuten

„Musik und filmische Animationsverfahren stehen seit jeher in einem innigen Verhältnis zueinander.“ (Christian Höller) Das Programm Käpt’n Musik versammelt Filmbeispiele, deren Tonspuren unterschiedlicher nicht sein könnten.

Philips „Lichtspiele“
Philips „Produkte“
Humanic Varese
Bunt
Pique-Nique
Sonata per Guitarra Electrica
Das Sein und das Nichts
Käpt’n Knödl im Dreck
Don’t touch me when I start to feel safe
Bled
Hold Us Down
The_future_of_human_containment
Zócalo
I’m a Star
Carmen


 


 


The Show Must Go On

Programm 6, Gesamtlänge ca. 64 Minuten

„Wenn vom animierten Film, vom gezeichneten Film, dem Zeichentrickfilm und der Animation die Rede ist, dann vor allem in Ermangelung des einen treffenden Begriffs, der die Sache umfassend bezeichnet.“ (Friedrich Tietjen)
Und so ist es auch kein Wunder, dass jeder Film sich nicht nur in der Aussage, sondern auch in der Umsetzung hundertprozentig vom anderen unterscheidet. Selbst wenn es sich um eine Technik handelt, sind die Möglichkeiten diese umzusetzen unendlich.

Evening star
Wiener Wuast/Vienna Mix
dianthus
Bett
Die Leiberl der Barbara Wilding
Bomb!
A Star
Das Geheimnis der grauen Zellen
TV-Montezuma
Die Jagd
Im Gehäuse
Herr Bar
Tele-Dialog