Gabu Heindl: Macht und Modell. Kleine Architektur im Film 


Diagonale-Webnotizen 05/2009
Von Gabu Heindl

Und Architektur ist doch die hidden agenda der Filmgeschichte. Nicht nur weil Architektur und Film eng verwandte Disziplinen sind – gibt es doch kaum Filmbilder, die sich nicht durch Architektur und Raum bewegen (und so die Zeit erlebbar machen). Ganz konkret ins Bild kommt die Architektur nicht nur in (zum Teil kanonisierten) Filmen, die von Architektur und deren „MacherInnen“ handeln. Mir geht es hier um Spielfilme jeder Art, von diesen allerdings nur solche, die Szenen mit physisch im dreidimensionalen Raum anwesenden Architekturmodellen enthalten. Und siehe da: Es gibt viel mehr Modelle der unbelebten statischen Art zu finden als vermutet.
Wenn Film-Stars auf Architekturmodelle treffen, dann weil es sich zum Beispiel in dem Film um einen Architekten dreht. (Dass ich hier Architekt schreibe ist Absicht, denn Architektinnen spielen in der Film-mit-Architekturmodell-Geschichte eigentlich keine Rolle.) In Zeiten digitaler 3D-Simulation geben gefilmte physische Modelle als Resultat einer beinah antiquierten Arbeitsmethodik den FilmzuseherInnen Einblick in die Änderungen der Produktionsweisen von ArchitektInnen: In Life as a House (2001) baut der Protagonist als Mitarbeiter in einem Architekturbüro hauptberuflich Architekturmodelle, analog, physisch und altmodisch und wird letztlich dafür entlassen, dass er zu lange braucht um Grasstücke ins Modell zu kleben. Das ginge – sagt sein Kollege in einer Szene – digital alles schneller und einfacher.
Und trotzdem: Es sind gerade physische und nicht digitale Modelle, die – ob im Film oder im Leben – als Miniaturen für Häuser stehen, die Glück versprechen. Sie werden auch deswegen weiterhin gebaut werden, weil Modellbau-Landschaften durch die Verkleinerung Überblick schaffen über Zukünftiges, über Gewolltes, Geplantes. Oder auch über Bestehendes und eine darin zu planende Handlung – zum Beispiel einen Coup: berühmt die Szene aus Goldfinger (1964), in der das Modell von Fort Knox so klein ist, dass Gerd Fröbe als Titelschurke mit dem Zeigestab seinen Plan markieren kann, während das Modell gleichzeitig groß genug ist, dass James Bond sich unter ihm verstecken und doch durch die Fenster des Bankmodells rausblicken und die Coup-Planung mithören kann. Aber auch rückwirkend erlauben Modelle ein anderes Geschichtenerzählen: in JFK (1991) wird die Ermordung John F. Kennedys in einer Montage aus Fahrten über das Modell der Straßen und Häuser des Tatorts gemeinsam mit Augenzeugenszenen rekonstruiert. Ein Modell schafft so einen Überblick, eine Vogelperspektive, die Möglichkeit, sich im Kleinen anzusehen, was im Großen machbar war oder wäre.
Damit das, was das Modell modelliert, realisiert wird – glaubt man den Filmen –, braucht es große Männer, die über kleinen Häusern ihre Pläne schmieden. Das ist unübertreffbar festgehalten in dem stadtplanungskritischen Film Le Mani sulla Cittá (1963). Wie der Titel schon andeutet, halten „große Männer“ mächtig ihre großen Hände über den kleinen Maßstab eines Stadtmodells und regieren unter anderem dadurch die Stadt. Diese Hände (über dem Stadtmodell) lassen Teile eines gewachsenen und bewohnten Stadtteil Neapels brutal abreißen, um im Neuland am Rand der Stadt lukrativ die alte Stadt „modern“ zu ersetzen.
Eine Steigerung von „Hände über der Stadt“ sind Großaufnahmen von Gesichtern, zumeist bekannter Diktatoren, in Miniatur-Umgebungen: ob Hitler in seinen Berlin-Modellen (etwa gespielt von Tobias Moretti in Speer und Er, 2005) oder Idi Amin inmitten des Modells seiner Bau-Vorhaben, deren Wettbewerb übrigens ein österreichischer Architekt gewinnt (The Last King of Scotland, 2006).




Diktatorische Machtäußerungen durch Architekturmodelle speisen sich auch aus der Tatsache, dass Modelle Verkleinerungen der gebauten Welt sind, manchmal 1000 Mal verkleinert, manchmal zu einem Fünfhundertstel, oder – wenn es sich um einzelne Häuser dreht – im Maßstab 1:200 oder 1:100. Das heißt also, dass das „1:1“ Haus hundert Mal so groß wäre, oder aber der, der vor dem Modell steht hundert Mal so groß ist.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Architekturmodelle, auch „mock-ups“ genannt, dazu dienen, sich über Macht und Machbarkeit mokieren. Eine Form der Machtverweigerung, zumal eine, die zum Slapstick wird, findet sich in Filmszenen, in denen sich die Protagonisten weigern, die Abstraktion des Maßstabs von Modellen zu verstehen: Fred Flintstone, als neuer Mitarbeiter einer Firma, die Häuser vom Steinzeit-Fließband erzeugen möchte, nimmt eines der kleinen Modellhäuschen vom Fließbandmodell in seine große Hand und mutmaßt, dass das Haus möglicherweise zu klein sein könnte für die zukünftigen BewohnerInnen (The Flintstones, 1994).
In Zoolander (2001) geht Ben Stiller noch einen Schritt weiter in seiner Szene vor dem Modell einer Schule, die er als karitativ engagierter Bauherr in Auftrag gegeben hat („The Derek Zoolander School for Kids Who Dont´ Read Good“). Schockiert bemerkt er, dass das Haus, das ihm der Architekt präsentiert, zu klein ist für die (wenn auch kleinen) zukünftigen SchülerInnen: In einem Wutanfall wirft er das Modell vom Tisch und seinem Architekten vor, er solle keine „Schule für Ameisen“ bauen; das Haus müsse „mindestens 3 Mal so groß sein!“.
Womit wir auch zur häufigsten Filmtrope kommen, wenn Architekturmodelle im Bild sind: die Zerstörung des Modells. Da scheint es nun fast ein Film-Script-Grundsatz zu sein, dass Modelle aus Ungeschick kaputt gehen, sobald Frauen sie in die Hände bekommen: so etwa Michelle Pfeiffer, die in One Fine Day (1996) als gestresste Architektin mit dem Modell in der Hand über das Spielzeugauto ihres Sohnes stolpert und dabei das Modell ruiniert. Bei Frauen ist es ein Unfall; wenn Männer in Filmszenen Modelle zertrampeln, zerhacken, oder zerhauen – in Wolfen (1981), Life as a House (2001) oder The Cooler (2003) –, dann deshalb, weil sie merken, dass das „Mock-Up“ eines Macht-Traums womöglich nur ein kleines Modell bleiben wird.


Bildbeispiele (siehe unten); diese Bilder dienen ausschießlich der wissenschaftlichen Beweisführung und dürfen nicht kopiert oder anderweitig verwendet werden:
Metropolis (1927)
Le Mani sulla Cittá (1963)
Jack Nicholson in The Shining (1980)
Michelle Pfeiffer in One Fine Day (1996)
Ben Stiller in Zoolander (2001)
Tobias Moretti in Speer und Er (2005)

Gabu Heindl ist Architektin, Urbanistin und Garbologin in Wien. www.gabu-wang.at

Mock-ups in Close-up
Architekturmodelle im Film 1927-2008
Gabu Heindl und Drehli Robnik, 2008/2009
Format: DVD-Projektion, Videokompilation mit Ton,
ca. 105 Filmclips, ca. 110 min.
Die aktualisierte Fassung 2009 ist zu sehen am
23. April 2009 beim Architektur und Film-Festival Living [ In ] Houses in München.


 


Metropolis (1927)

Metropolis (1927, R: Fritz Lang)

© Fritz Lang/Karl Freund et.al.
Le Mani sulla Cittá (1963)

Le Mani sulla Cittá (1963; Francesco Rosi)

© Francesco Rosi/Gianni Di Venanzo

 


One Fine Day (1996)

Michelle Pfeiffer in One Fine Day (1996; Michael Hoffman)

© Michael Hoffman/Oliver Stapleton
Zoolander (2001)

Ben Stiller in Zoolander (2001; Ben Stiller)

© Ben Stiller/Barry Peterson
Speer und Er (2005)

Tobias Moretti in Speer und Er (2005; Heinrich Breloer)

© Heinrich Breloer/Gernot Roll; Diese Bilder dienen ausschießlich der wissenschaftlichen Beweisführung und dürfen nicht kopiert oder anderweitig verwendet werden.