Aus der Werkstatt 


Rezente Restaurierungen des Filmmuseums


Die beiden Programme, die das Österreichische Filmmuseum auf der diesjährigen Diagonale präsentiert, ermöglichen einen Einblick in die hauseigene Restaurierungs- und Sicherungsarbeit der letzten Jahre. Die 18 Beispiele, die gezeigt werden, sollen eine Ahnung davon vermitteln, wie komplex und vielfältig diese Tätigkeit ist – sowohl, was das inhaltliche Spektrum der betreffenden Sammlungsstücke (und ihr Verhältnis zu den kuratorischen Schwerpunkten des Filmmuseums) betrifft, als auch in Bezug auf die „Wahl der Mittel“ bzw. die Motivationen, die hinter jedem einzelnen Akt der „Wiederbelebung“ eines Films stehen. Einführungen und Diskussionsblöcke mit Mitarbeitern des Filmmuseums werden dazu an beiden Terminen zusätzliche Hintergründe liefern.

In einem vernünftigen Museum ist die Arbeit an den Sammlungen (d.h. die Maßnahmen zur langfristigen Sicherung und Überlieferung der Bestände sowie deren kontinuierliche und zielgerichtete Erweiterung) so ausgerichtet, dass sie die Arbeit mit den Sammlungen befruchtet – und umgekehrt. Mit den Sammlungen arbeiten heißt: sie zu präsentieren, über sie zu forschen und zu publizieren, sie in Vermittlungsprojekte und neue künstlerische Prozesse bzw. Werke einzubringen. Der Begriff „Stoffwechsel“, den das Filmmuseum vor zwei Jahren für seinen Diagonale-Beitrag (und als Beschreibung der eigenen Tätigkeit) gewählt hat, ist diesbezüglich ganz zentral. Unter Restaurierung wäre dann nämlich mehr zu verstehen, als die (tendenziell illusorische) Wiederherstellung eines historischen Artefakts oder einer Erfahrung, „wie sie einmal war“. Denn – in der schöneren Diktion von Goethe – Gleich mit jedem Regengusse / Ändert sich dein holdes Tal / Ach, und in dem selben Flusse / Schwimmst du nicht zum zweitenmal. Die nostalgische Schimäre einer vollständigen „Rückeroberung“ weicht der Einsicht, dass es bei der Restaurierung und allen anderen Aspekten der Museumsarbeit einerseits um die Produktion von Geschichtlichkeit geht (d.h. um Erfahrungen der Differenz, des Abstands, dessen, was nicht zur Deckung kommt), und andererseits um die Produktion von Gegenwart – um etwas, das vorher nicht (in dieser Form) da war.

Die Restaurierungen des Filmmuseums übersetzen sich in unterschiedlicher Weise in die „Produktion von Gegenwart“. Zum Beispiel indem sie zum Material neuer Filme werden (wie zuletzt im Fall von Gustav Deutschs FILM IST. a girl & a gun, Norbert Pfaffenbichlers Mosaik mécanique, Christoph Weihrichs 14. März 1938 – ein Nachmittag oder Michaela Grills und Martin Siewerts Cityscapes). Indem sie Teil neuer Präsentationsformate (Die Utopie Film) werden und neue Vermittlungsprogramme begründen, die die herrschende Sicht auf das „geschichtsträchtige“ Medium Film erweitern (wie im Fall der Reihe Filmdokumente zur Zeitgeschichte, die das Filmmuseum von Jänner bis Dezember 2008 präsentiert hat). Weil sie die notwendige Grundlage für neue Forschungsansätze bilden (wie z.B. seit 2007 bei dem Dziga-Vertov Projekt Digital Formalism oder dem 2009 beginnenden Kunst- und Wissenschaftsprojekt Film. Stadt. Wien). Oder einfach, weil sie Werke marginalisierter FilmautorInnen wieder ins Blickfeld bringen (vor allem jene, die einen nichtindustriellen Zugang zum Medium pflegen) und Epochen, die von der Filmgeschichtsschreibung lange Zeit unterdrückt waren, besser erschließbar machen (wie im Fall des Frühen Kinos vor 1914).

Die im vorliegenden Programm angeführten Filme bilden solche (und andere) Zusammenhänge aus der Filmmuseumspraxis ab. Sie stehen aber auch für sich selbst, und damit wiederum für den kaum eingrenzbaren Reichtum eines Mediums, von dem meist nur die Eisbergspitze wahrgenommen wird. Es sind frühe „views“ (von Landschaften, Begräbnissen oder Pferderennen), politische Amateur- und Propagandafilme, fertige Vertovfilme und unfertige Murnaufilme, Tier- und Show- und „interdisziplinäre“ Filme, „Meisterwerke“ und Werke von Meistern anderer Klassen, die Film nur ganz privat verwendet haben. Sie stammen ursprünglich aus den Jahren 1907 bis 1985, aber ihre Restaurierung, Sicherung, Reparatur, Umkopierung, Rekonstruktion, kurz: Überlieferung richtet sich an Sie, in Graz, im März 2009.
(Alexander Horwath, Michael Loebenstein)